Lehrerwohnung, Kanzlei und Schule von Kulm


In dieser Kanzlei war Daniel Raugust von 1893 bis 1907 als Oberschulze oder Primar tätig. Der Oberschulze hatte viele Rechte. Er konnte Geldstrafen verhängen und achtete auf Zucht und Ordnung im Dorf. Das Wolostgericht, besetzt mit Schulzen und dem Oberschulzen, schlichtete fast alle Streitigkeiten, die in Kulm vorkamen und verhängte Geldstrafen. Für “schwere Fälle“ gab es eine Gemeindearrestzelle.
Die Dorfschulzen oder Primare waren meist Respektspersonen. Selbstverständlich gab es auch Versager. Oft waren sie Grobiane. Manche ließen sich mit „Herr Schulze“ anreden. Sie hatten als Schulzen (Staroste) Polizeigewalt und durften Übeltäter verhaften. Auch ihre Gehilfen, die Hundertmänner (Sotski) und Zehntmänner (Desjazki) waren dazu allgemein berechtigt. Erwischte Übeltäter, wie z.B. randalierende Straßenkerle wurden an Ort und Stelle mit einer Tracht Prügel bestraft. Der Ruf: „Der Schulze kommt“, fuhr so manchem in die Beine. Waren die Vergehen schwerer, kamen die Übeltäter mit oder ohne Verhandlung des Dorfgerichtes in das Dorfgefängnis, den Ostrok. In Kulm war auf dem Kanzleihof dieser Ostrok noch bis zur Umsiedlung vorhanden. Er wurde, wenn auch selten, noch als Gefängnis genutzt. In rumänischer Zeit stand den Primaren nur noch beschränkte Polizeigewalt zu. Manche nahmen davon keine Notiz und straften weiter.
Die Arbeiten, die in der Zuständigkeit der Gemeinde lagen, wie Gewässer– und Wegeunterhaltung, Pflege der Weiden, Instandhaltung der öffentlichen Gebäude, wurden in Gemeinschaftsarbeit erledigt. Zwei– bis dreimal im Jahr war „Fron“. Jeder Hof musste eine bestimmte Anzahl von Fahrzeugen und Leuten stellen, Größe und Wirtschaftlichkeit waren dafür das Maß. Die Gemeindeversammlung bestimmte die Frontage und die Art der Beteiligung daran. Die Aufsicht über die Arbeiten hatten Gemeinderäte und Hirtenschulzen. Ein Frontag war ein echtes Dorfereignis. Da kamen ein paar hundert Leute, meist jüngere, und Fuhrwerke vor der Kanzlei zusammen. Jeder brachte sein Werkzeug mit. Neben der Arbeit spielte die Begegnung, das Sich-Zeigen und der Austausch von Dorf– und anderen Neuigkeiten eine große Rolle.
Für amtliche Bekanntmachungen und allgemein interessierende Hinweise gab es den „Schütz“. Er ging schellend durchs Dorf und vor jedem dritten oder vierten Hof sagte er sein Sprüchlein auf. Fasst vier Kilometer musste geschellt und ausgeschrieen werden. Am Schluss der Tour konnte man ihn vor Heiserkeit kaum noch verstehen. Da der Schütz aber nicht nur Büttel, sondern auch Amtsdiener war, war es ratsam sich mit ihm gut zu stellen, denn er hatte einen kurzen Draht zur Dorfverwaltung und wusste über vergangene und kommende Ereignisse Bescheid.
Die Steuern wurden vor dem Ersten Weltkrieg von der Dorfverwaltung eingezogen, danach von einem rumänischen Steuerbeamten. Ein Problem, mit dem die Gemeindeverwaltung ab Mitte des vorigen Jahrhunderts dauernd konfrontiert gewesen sein dürfte, war die starke Bevölkerungszunahme. Die Gemeinde hat sich sehr darum gekümmert, dass die Söhne außerhalb Kulms Land bekamen.